Würdevolle Erinnerung an einen Steinbacher – den Juden Josef Schwarzschild
Am 6. September 2021 gedachten die Steinbacher Bürgerinnen und Bürger dem vom Naziregime im Dezember 1943 ermordeten Mitbürger jüdischen Glaubens Josef Schwarzschild. Zu diesem Tag luden der Verein für Geschichte und Heimatkunde e.V. und die Stadt Steinbach (Taunus) zusammen mit der Evangelischen St. Georgsgemeinde und der Katholischen Kirchengemeinde St. Bonifatius ein.
Josef Schwarzschild, Sohn jüdischer Eltern wurde am 21.11.1908 in Bommersheim geboren und war in der Zeit des Nationalsozialismus der einzige Jude in Steinbach. Schwarzschild ging in Steinbach zur Schule, war im Dorf voll integriert und heiratete 1931 eine nicht-jüdische Steinbacherin. Als Mischehe war das Paar großem Druck durch die Staatsmacht ausgesetzt, so durfte Josef Schwarzschild zum Beispiel einige Jahre keiner Beschäftigung nachgehen und musste in der Öffentlichkeit einen Judenstern tragen. Am 20. April 1943 wurde er schließlich unter einem Vorwand verhaftet und in das Arbeitserziehungslager Heddernheim verbracht. Anfang September 1943 folgte die Deportation nach Auschwitz. Josef Schwarzschild starb im Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz am 10. Dezember 1943. Unter dem Nationalsozialismus verloren geschätzt sechs Millionen europäische Juden durch die Vernichtungsmaßnahmen ihr Leben.
Am Nachmittag des 6. Septembers wurde zu seiner Erinnerung und zur Mahnung ein Stolperstein vor dem Haus Schwanengasse 5, dem letzten Wohnsitz Josef Schwarzschilds, eingelassen. Der Künstler Gunter Demnig setzte das Mahnmal höchstpersönlich vor dem Haus, wo seit 28 Jahren eine Gedenktafel an Schwarzschild erinnert.
„Dieser Stolperstein für unseren ehemaligen Bürger ist Teil des größten dezentralen Mahnmals der Welt“, hebt Bürgermeister Bonk die Wichtigkeit der Erinnerung hervor. Über 80.000 dieser Stolpersteine sind bislang in Deutschland und Europa gesetzt und erinnern an die grausamen und menschenverachtenden Taten des Nationalsozialismus.
Zur Verlegung des Stolpersteins hatten sich am Nachmittag rund 60 Bürgerinnen und Bürger eingefunden, die ehrfürchtig dem Kaddisch, eines der wichtigsten Gebete der Juden, vorgetragen durch den israelischen Sänger, Liedermacher und Schauspieler Dany Bober, lauschten. Barbara Köhler vom Geschichtsverein hat die Lebensstationen Josef Schwarzschilds zusammengetragen und emotional vorgetragen. Mit stockender Stimme fragte sie, „wo damals vor 78 Jahren die Menschen waren, als Josef Schwarzschild aus seinem Haus geholt wurde“. „Wir wollen einander achten und eine Zukunft gestalten, an der alle Menschen teilhaben“ gab Pfarrer Herbert Lüdtke den Menschen mit auf den Weg. Dr. Harald Schwalbe nahm sich für die katholische Kirchengemeinde der Sprachlosigkeit in dieser Zeit an und stellte Psalm 94 entgegen, den viele der Anwesenden mitsprachen.
Der kulturelle Abend war geprägt von der Erinnerung an Schwarzschild, von dem ein großflächiges Portrait die Bühne des großen Saales im Bürgerhaus ausfüllte. Traditionelle Melodien der Klezmer Techter umrahmten die Programmpunkte. Schauspielerin Friederike Ott las aus „LTI (Lingua Tertii Imperii): Notizbuch eines Philologen – Die Sprache des Dritten Reichs“ von Victor Klemperer und Dany Bober unterhielt mit jüdischer Musik.
Als ein „Fest des Lebens – ohne die Vergangenheit auszublenden“ bezeichnete Pfarrer Herbert Lüdtke den Abend, der neben den Programmpunkten die rund 100 Anwesenden zur Erinnerung, zum Nachdenken und zur gegenseitigen Diskussion anregte. Die Sprache im Damals und Heute wurde thematisiert und so manch nachdenkliche Überlegung angestoßen. Die Sprache des Dritten Reichs übertrieb, lügte, diffamierte und war vergiftet, wie es auch die Lesung des LTI zeigte. „Die Parallelen zu Heute sind Unwahrheiten zu verbreiten, weil sie uns so passen – das sind die Fake News“ sagte Harald Schwalbe von der St. Bonifatiusgemeinde. „Lernen wir aus der Geschichte, der Sprache!“ appellierte Kai Hilbig, Vorsitzender des Geschichtsvereins. „Man kann nicht Christ sein und Antisemist. Wir haben denselben Gott, wir gehören zusammen“ bekräftige Pfarrer Herbert Lüdtke. Mit Blick auf aktuelle Geschehnisse in der Welt, wie zum Beispiel der Erstürmung des Capitols in Washington DC am 6. Januar dieses Jahres, schloss Bürgermeister Steffen Bonk den würdevollen Tag ab und appelierte an die Besucherinnen und Besucher wachsam zu sein und für unsere gemeinsamen Werte einzutreten.
Fotos des Gedenktages finden Sie auf der städtischen Homepage unter www.stadt-steinbach.de » Rathaus » Bürgerservice » Bildergalerie.